Die Angst vor dem Glück

04.01.2018 14:46

Ein Patient hatte eine letzte Frage: „Warum habe ich manchmal Angst vor dem Glück?“

Im Gespräch fiel ihm dazu ein Kinderreim ein:

„Wer freitags lacht und samstags singt, der weint am Sonntag ganz bestimmt.“

Dahinter verbirgt sich eine Vorstellung von Ausgleich. Wenn ich heute was bekomme, muss ich morgen dafür bezahlen.

In der Psychologie spricht man hier von magischem Denken, von einer magischen Verbindung zwischen Ereignissen die im objektiven Sinne nicht miteinander verbunden sind.

Doch alles Menschliche hat auch einen psychologischen Hintergrund. Geben und nehmen, das Bedürfnis nach Ausgleich ist Grundlage menschlicher Beziehungen. Bekomme ich etwas spüre ich ein Verlangen etwas zurückzugeben. Wenn das mein Gegenüber veranlasst auch mir wieder was zu geben, ist das ist die Grundlage für eine gute Beziehung. Umgekehrt funktioniert das natürlich auch. Tut mir jemand weh, entsteht in mir das Bedürfnis ihm ebenfalls weh zu tun. Dies ist das Gesetz der Reziprozität: Wie du mir so ich dir.

Dieses Gesetz sind wir scheinbar geneigt auch dort anzuwenden wo es keinen direkten Interaktionspartner gibt. Bei den alten Griechen war das noch selbstverständlich. Man brachte den Göttern Opfer dar und erwartete sich dafür eine Gegenleistung, z.B. gutes Wetter. Der Interaktionspartner war hier ein imaginierter Gott (Was dabei alles schief gehen kann, lässt sich bei Homer über die Odyssee nachlesen).

Das Pantheon wurde vor zweitausend Jahren auf einen Gott reduziert und das darbringen von Opfern abgeschafft, und immer mehr Menschen gehen davon aus, dass es gar keine Götter gibt.

Was tun aber jetzt mit unserem Bedürfnis nach Ausgleich wenn es mir "unverdient" gut geht?

Hier bleibt uns immer noch die Möglichkeit zu Danken. Einem Gott, dem Schicksal, wem, was auch immer.  Zu Danken macht uns frei.

 

Mag. Alexander Urtz MBA

Klinischer- und Gesundheitspsychologe